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Chez Zen

Gascogne Chez Zen

Was gibt es Schöneres, als mit voller beruflicher Berechtigung nach Frankreich zu fahren, um an einem Yoga Retreat teilzunehmen? Mein Mann behauptet zwar: „Kriegst Du Geld dafür? Nein? Dann ist es auch nicht beruflich.“
Ich persönlich finde diese Definition etwas zu eng gefasst. Egal.
Das Szenario kann übrigens durchaus noch verbessert werden, indem man zu dritt fährt und die beiden anderen Mädels richtig gute Freundinnen von Dir sind. Ich gebe zu, die argumentative Luft wird hier dünner und dünner, und das Ganze klingt eher nach Girlstrip als nach Arbeit.

Nichtsdestotrotz packt meine liebe Jorinde, die ich für die talentierteste Fotografin der Welt halte, ihre große Kamera ein, und wir machen uns auf,  Yogafotos von Marie und mir zu schießen und ganz allgemein Material für diesen Blog zu sammeln.
Schon die Anreise hat verdammt viel von Klassenfahrt. Wir treffen uns in aller Herrgottsfrühe am Flughafen Tegel und haben dort einen spontanen Rückfall in die Pubertät. (Kreischalarm, ich bin mir sicher Terminal A war kollektiv hocherfreut, als wir endlich eingecheckt waren). Marie und ich haben zwei Sitze nebeneinander bekommen, dafür hat Jorinde es geschafft, in Reihe 1 gesetzt zu werden („ich hab Platzangst“).
Auf meinem Sitz in Reihe 23 überlege ich ernsthaft, mir auch eine kleine Platzangst zuzulegen, was gar nicht so weit hergeholt ist, da ich meine Knie quasi unters Kinn klemmen muss, um sitzen zu können. Lange-Lulatsch-Probleme.

In Toulouse empfängt uns strahlender Sonnenschein und macht die eineinhalbstündige Autofahrt, die jetzt noch folgt, zu einem puren Vergnügen.
Marie sitzt am Steuer, ich döse und Jorinde hat schon ihr „Fotografen-Auge“ angeschaltet, auf der Lauer nach der ultimativen goldenen Herbstlandschaft.
So weit, so gut. Als ich auf Google Maps allerdings das unweit unseres Retreat Centers gelegene Städtchen „Condom“ entdecke, sind die „erwachsenen“ 25 Minuten der Reise schlagartig vorbei.
37 kindische Wortspiele und ganz viele Lachtränen später rollt unser Mietwagen schließlich auf das Gelände des „Chez Zen“.

Wir sind die ersten und werden von unserem Freund Adam, der das Retreat unterrichten wird, empfangen.
Adam ist schon einen Tag vorher angereist und hat die freie Zeit zu zwei Stunden Meditation in der Sonne genutzt, was man ihm auch ansieht. Kurz überlege ich, ob ich auch noch ein bisschen an meiner Bräune arbeiten kann, aber die Sonne ist schon quasi weg, und deswegen sind wir ja auch nicht hier. Seufz.

Das Chez Zen wird von einem entzückendem jungen Pärchen betrieben, Isabel und Kim. Isabel hat Blumen im Haar, ist sehr schwanger und sieht aus wie die junge Jane Birkin. Bei aller ätherischen Schönheit ist sie aber recht resolut, und ruckzuck sind wir auf unsere Zimmer verteilt.
Vor dem Abendessen treffen wir uns mit dem Rest der Truppe in dem großen Raum, der gleichzeitig Aufenthaltsraum, Speisesaal und Yogashala ist. Nach einer kurzen Yogapraxis, allgemeiner Vorstellungsrunde und einem leichten Abendessen fallen alle todmüde ins Bett.

Die nächsten Tage beginnen in der Regel mit einer sehr aufgeregten Jorinde („Das Licht! Dieses LICHT!“), die mich und Marie auch schon mal aus der Asanapraxis ins Freie schleift, weil „Fotografin Jorinde“ in diesem Moment eindeutig die Überhand über  „Yogini Jorinde“ hat.
Auf diese Weise kommen wir allerdings an unglaublich tolle Bilder, und dankenswerterweise fühlen sich unsere Mityogis nicht übermäßig durch unsere Knipserei und die leichte Unruhe, die dadurch entsteht, gestört.

Überhaupt: Mit der Gruppendynamik haben wir wieder mal riesig Schwein, die ganze Atmosphäre ist leicht und freundlich und innig. (An dieser Stelle ein lautes Danke an euch alle, ihr seid mega. Jeder einzelne von euch!)

So vergeht die Woche in der zauberhaften Landschaft der Gascogne mit schweißtreibenden Vinyasa-Stunden am Morgen und Meditationen und gemütlichen, köstlichen Essen am Abend.
Obwohl die tägliche Asana-Praxis ganz sicher nicht unanstrengend ist, sind doch die Meditationen für die meisten von uns herausfordernder als die körperliche Arbeit.
Ich bin mir sicher, Osho weilte still unter uns und hat sich bepinkelt vor Lachen.
Osho, wenn Du mich hörst: wir verklemmten Westler haben alles gegeben, auch wenn nach einer halben Stunde „Schüttel-Meditation“  jedes meiner Körperteil an seine Grenzen kam. Vor allem die, die unter der Schwerkraft leiden.
Bei der „Dynamischen Meditation“ am letzten Morgen streiche ich die Segel und mache einen Spaziergang durch das nahegelegen Wäldchen, das ich im Stillen für mich „Den Zauberwald“ nenne.
Während ich nach Feen Ausschau halte (wenn es welche gibt, dann dort), lasse ich die letzten Tage vor meinem inneren Auge verstreichen.
Und bin schlagartig von einem ganz tiefen Gefühl der Dankbarkeit erfüllt.
Für meine beiden Herzensmenschen Marie und Jorinde.
Für die berührende Yogapraxis mit Adam in der letzten Woche.
Für diesen magischen Ort mit seinen Bewohnern, die sich so herzlich um uns gekümmert haben.
Für die neuen Freundschaften, die entstanden sind. Für meine Familie, die mich hat wegfahren lassen.
Und für diese Minuten, die ich gerade mit mir selbst verbringen darf.
We will be back.

-Miri

© Miriam Langenscheidt 2015

Miriam LangenscheidtChez Zen