allmyyoga Blog

Stille Tage in Berlin

Namaste!

Ich habe eine Sehnenscheidenentzündung. Genauer gesagt habe ich sogar derer zwei. Eine in der rechten Hand (greifen ohne Daumen nix gut), die andere in der linken Schulter.

Der Physiotherapeut meines unbedingten Vertrauens, Mohamed (zu dem ich unter anderem deswegen so gerne gehe, weil er mir immer wieder glaubwürdig versichert, dass er noch nie so flexible Schultern gesehen hat), hat mir für die nächsten Tage jedwede Form von Asana-Praxis strikt untersagt („da machst Du doch wieder diese Liegestützen mit den Armen so am Körper, ne? Das lässte mal schön bleiben.“). Gut. Kein Chaturanga. Aber auch kein adho mukha svanasana, kein chakrasana, kein….? „NEIN!“

Ok. Ich kann nicht behaupten, dass das gute Nachrichten wären.

Bisher konnte ich in den meisten Fällen bestehende kleine Malaisen irgendwie in mein Üben integrieren beziehungsweise „drumherum“ üben. Jetzt ist also eine Zwangspause angesagt.

Grrrrrrrroommmmmm.

Nun ja. Laut Patanjali, dem Verfasser des Yogasutra, ist Asana, das körperliche Üben, sowieso nur ein Punkt auf dem achtgliedrigen Yogapfad. Neulich habe ich einen von mir recht geschätzten Yogalehrer sagen hören, wie unfassbar er es findet, dass 95% der Yoga-Praktizierenden dies tun, weil sie einen straffen Hintern wollen. Sowas liegt mir selbstverständlich völlig fern. Hüstel.

Alsdenn. Die anderen sieben Punkte des Yogapfades. Auf die konzentrieren wir uns jetzt, nebst verschiedenen Unterpunkten, die letztere genauer definieren. Der Weg zur Erleuchtung ist lang.

Punkt eins:

YAMAs. Das sind moralische Werte für den Umgang mit anderen.

Erster Unterpunkt, das heißt, erste Yama:

AHIMSA, was bedeutet: Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen in Tat, Wort und Gedanken.

Wie ist denn da so meine persönliche Bilanz?

Also, weder habe ich heute meine Kinder noch Mann oder den Hund geschlagen. Noch nicht mal den Menschen, der mir heute morgen die Vorfahrt genommen hat. Das ist positiv zu verbuchen. Kein Tier getötet (gottlob ist die Mückensaison vorbei) oder gegessen. Geflucht und geschrieen: mmmmmmnnnjahein. Relativ wenig. Nicht so viel, wie ich hätte können. Mist. Schon aus der ersten Kurve geflogen und es ist noch nicht mal Mittag. Über die Gedanken, die ich hatte, möchte ich yoga-und karmatechnisch hier nämlich lieber keine Worte verlieren. Lügen soll man ja auch nicht. Womit wir schon bei der zweiten Yama sind.

Nennt sich SATYA. Wahrhaftigkeit. Das heißt, Du sollst andere nicht anlügen.

Da sieht meine Erfolgsbilanz sehr gut aus heute, war allerdings auch nicht sehr herausfordernd. Da gibt es ganz andere Tage. Diese Yama erklärt in meinen Augen, warum es Schweige-Retreats gibt. Manchmal ist still sein die einzige Möglichkeit, sich das Karma nicht auf Jahrhunderte hinaus zu versauen.

Sowieso fallen einem naturgemäß manche Dinge innerhalb der Praxis auf der Matte unwahrscheinlich leicht. Während ich meditiere kann ich allen Menschen positive Gefühle entgegenbringen. Auch denen, denen ich realiter bestenfalls ambivalent gegenüberstehe. Auf meiner Yogamatte ist einfach kein Platz für Wut, Hass, Neid oder Eifersucht. Da fühle ich manchmal ganz klar das Einssein aller Wesen und Dinge.

Aber auch nur zehn Zentimeter daneben kann die Welt schon ganz anders aussehen.

Hm, vielleicht ist meine Verletzung ja ein offizielle Mitteilung des Universums darüber, dass ich jetzt soweit bin, mich auch außerhalb meiner vetrautenUmgebung zu üben. Nicht im Kopfstand. Sondern für den Anfang mal in Ahimsa und Satya.

Es werden schweigsame Tage.
OM Shanti

Deine Miri

© Miriam Langenscheidt 2015

 

 

Miriam LangenscheidtStille Tage in Berlin